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Pflichtteil trotz Körperverletzung

Pflichtteil trotz Körperverletzung

Wer hat entschieden?

Landgericht Frankenthal (Pfalz)

 

Wer ist betroffen?

Erblasser und Erben, Personen, die ihr Testament gestalten möchten

 

Worüber wurde entschieden?

Das Landgericht Frankenthal (Pfalz) hatte zu entscheiden, ob jemandem, der seine Mutter geschlagen hat, der Pflichtteil* entzogen werden konnte.

Der Pflichtteil kann (gemäß § 2333 BGB, https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__2333.html) unter anderem entzogen werden, wenn der eigene Abkömmling (Kind, Enkel)

  1. den Erblasser oder ihm besonders nahestehende Personen töten wollte,
  2. schwere Straftaten gegen den Erblasser oder ihm nahestehende Personen begangen hat,
  3. absichtlich keinen Unterhalt zahlt und dazu verpflichtet wäre oder
  4. die Überlassung des Pflichtteils wegen einer Verurteilung des Kindes zu einer Gefängnisstrafe von mindestens einem Jahr unzumutbar wird.

 

Das sind recht große Hürden, da der Gesetzgeber es auch nicht zu leicht machen wollte, den Pflichtteil zu „umgehen“.

Die Frage war also, ob jemand, der seine Mutter schlägt, unter einen dieser Punkte fallen würde.

 

Wie wurde – warum – entschieden?

Der Pflichtteil konnte nicht (wirksam) entzogen werden.

Zum einen wurden die Ermittlungen eingestellt, nachdem Mutter und Sohn sich zunächst gegenseitig angezeigt hatten. Es kam also nicht zu einer Verurteilung des Sohnes. Damit entfällt zumindest Punkt 4; außerdem wollte er die Mutter auch nicht töten und hätte wohl auch keinen Unterhalt bezahlen müssen. Damit entfallen auch die Punkte 1 und 3 aus der Übersicht. Es war also noch die Frage, ob eine „schwere Straftat“ festgestellt werden konnte.

Die Eltern haben sogar in ihrem Erbvertrag genau erklärt, was der Sohn gemacht haben soll – er hätte ihr „mehrfach mit der flachen Hand ins Gesicht“ geschlagen, die Folge wären eine Schädelprellung und Bewusstlosigkeit gewesen.

Das Gericht hat in seinem Urteil dann mehrere Urteile anderer Gerichte aufgeführt, die ähnliche Fälle behandelt haben. Dabei kam es aber bei dieser „leichten“ Körperverletzung immer wieder auf die Hintergründe und das Ausmaß des Streits an; so hat eine Frau ihrem Vater nicht nur mit der Hand ins Gesicht geschlagen, sondern auch den Mittelfinger gezeigt, beschimpft und ihm gewünscht, er solle „verrecken“. In einem anderen Fall kam es zur Körperverletzung, nachdem das Kind offenbar wegen „finanzieller und persönlicher Benachteiligung“ extrem frustriert und im Affekt gehandelt hatte – und ihm konnte der Pflichtteil nicht entzogen werden.

Das Landgericht Frankenthal hat schließlich entschieden, dass die Erklärung im Erbvertrag nicht ausreicht. Es war offenbar unklar, wie es zum Streit kam, außerdem war es wohl ein einmaliges Ereignis. Ein dauerhafter Streit zwischen Eltern und Kind wurde in dem Verfahren nicht bewiesen.

 

Warum ist das wichtig?

Gerade Personen, die ihr Testament* errichten (oder einen Erbvertrag schließen) möchten, können in dieser Entscheidung sehen, wie wichtig es ist, manche Wünsche genau zu begründen. Möglicherweise wäre die Entscheidung anders ausgefallen, wenn die Eltern genauer erklärt hätten, was vorgefallen ist und wie schlimm das Verhältnis zwischen Eltern und Kind war. Selbstverständlich kann auch ein anwaltlicher Rat in solch schwierigen Situationen dabei helfen, eine möglichst sichere Gestaltung des letzten Willen zu erreichen.